Vitamin B im Recruiting: So engagieren Sie neue Fachkräfte für Ihr Unternehmen
Die Zeiten, in denen Unternehmen freie Wahl am Arbeitsmarkt genießen durften, sind vorbei. Vielen Branchen fehlt es vorne und hinten vor allem an gut ausgebildetem Personal und um Talente wird händeringend gekämpft. Unternehmen müssen daher oft neue Wege finden, um potenzielle Traumkandidat*innen zu erreichen. Wir haben einen Tipp für Sie: Fragen Sie doch mal bei Ihrem eigenen Personal nach!
Arbeitswelt | Lesedauer: 6 min | veröffentlicht am 09. März 2023
Zielgruppe: Arbeitgeber
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Vitamin B: Was war das nochmal?
Vitamin B tut nicht nur dem menschlichen Körper gut, sondern im metaphorischen Sinne auch der Karriere. Der Begriff (das B steht übrigens für “Business” oder “Backdoor”) bezeichnet die Fähigkeit, über die eigenen sozialen Kontakte und ein gut gepflegtes Netzwerk an Jobs zu gelangen und dabei den herkömmlichen Bewerbungsprozess zu umgehen.
In vielen Branchen gilt “Vitamin B” als essenziell, um auf der Karriereleiter die ein oder andere Stufe zu überspringen. Die Praktik, via Vitamin B den Berufsweg zu eben, wird von vielen allerdings kritisch betrachtet und in Österreich daher auch mitunter abwertend “Freunderlwirtschaft” genannt - weil dabei persönliche Bekanntschaften und Interessen wesentlicheren Faktoren wie Fähigkeiten oder Qualifikationen vorgezogen werden können.
Welchen Stellenwert hat Vitamin B in der heutigen Jobwelt?
Wer gut networken kann, der ist so ziemlich in jeder Berufssparte klar im Vorteil. Selbstverständlich hilft es immer, gute Kontakte innerhalb der eigenen Branche zu pflegen - beim Bewerbungsgespräch kann es ein entscheidender Vorteil sein, ein bereits bekanntes Gesicht zu sein. Gerade in Berufen, die trotz weniger Stellenangebote viel Zulauf erfahren, kann es helfen, “da jemanden zu kennen”. Gerade deshalb wird genau in diesen Milieus, wie zum Beispiel der Medienbranche, empfohlen, zunächst einige Praktika zu absolvieren, um später im Bewerber*innenpool bereits aufzufallen.
Dennoch besteht heute ein größeres Bewusstsein, dass eine gute Ausbildung mehr zählen muss als ein guter Händedruck. Bewerbungsverfahren werden bei Berufen, die im Trend liegen, außerdem zunehmend komplexer und anonymer. Einen Recruiting-Prozess durch eine einfache Empfehlung eines Mitarbeiters oder Mitarbeiterin zu umgehen, ist mitunter also auch schwieriger geworden. Ob der Stellenwert von Vitamin B in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu- oder abgenommen hat, kann, je nach Jobprofil, also stark variieren.
Vitamin B: Was nützt es meinem Unternehmen?
Geschäftsführer*innen und Recruiter*innen aus Branchen, die großen Zulauf erfahren, sind privilegiert: denn nicht alle Sparten erfreuen sich heute noch der gleichen Beliebtheit wie in etwa vor zwanzig Jahren. Gerade die
- Gastronomie,
- die Pflege oder
- handwerkliche Berufe
leiden unter Arbeits- und vor allem auch Fachkräftemangel. Die Gründe dafür sind vielfältig – eine schlechte Bezahlung, mangelnde Perspektiven, der demografische Wandel und die alternde Bevölkerung (Stichwort: Alterspyramide) tragen maßgeblich zur Dürre am Arbeitsmarkt bei. Damit ist der Bewerbermarkt längst bittere Realität geworden: die Zeiten, an denen aus einer Vielzahl an Bewerbungen ausgewählt werden kann, scheinen vorbei zu sein.
Auch die Lehre als klassischer Ausbildungsweg befindet sich auf dem absteigenden Ast - immer mehr junge Menschen zieht es heute in die Universität - auch weil dort der Zugang niederschwelliger geworden ist. Branchen, die auf neue Lehrlinge angewiesen sind, fällt es so immer schwerer, diese auch zu finden.
Schwere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Unternehmen müssen deshalb am Arbeitsmarkt nicht nur proaktiv, sondern auch kreativ werden, wenn sie nicht leer ausgehen wollen. Mittlerweile gehört es für Unternehmen zum Survival-Kit, gute Recruitment-Strategien zu entwickeln. Dazu gehört es auch, die Rollen mit den Bewerber*innen zu wechseln und das eigene „Vitamin B“ zu nutzen. Ein “Mitarbeiterempfehlungsprogramm” gilt mittlerweile als effiziente und effektive Methode, um am Arbeitsmarkt wieder dicke Fische zu angeln.
Employee Recruitment Programme: wie Sie Angestellte zu Personalern machen
Nutzen Sie dafür die Menschen: die Belegschaft Ihrer Firma. Die meisten Angestellten haben bereits einen Berufsweg hinter sich, der ihnen ein gutes Netzwerk beschert hat. Auch durch berufliche Organisationen wie Gewerkschaften oder den rein persönlichen Austausch unter beruflich Gleichgesinnten können ihre Mitarbeiter*innen Ihnen Kontakte empfehlen, die Sie im herkömmlichen Recruitment übersehen.
Wie werden Mitarbeiter*innen zu treuen Multiplikatoren?
Effektive Empfehlungsprogramme
Um Mitarbeiter*innen für das Recruitment zu engagieren, empfiehlt es sich, systematisch vorgehen. Das heißt, nicht nur vereinzelt Angestellte nach ihren Kontakten zu fragen, sondern gezielte Programme aufzustellen, von denen Ihre Belegschaft ebenfalls profitieren kann. Stellen Sie klare Richtlinien für das Empfehlungsprogramm auf, die für Ihre Mitarbeiter*innen auch leicht verständlich sind. Darin sollten Sie auch Belohnungen und Anreize schaffen, die Sie für erfolgreiches Recruitment biete.
Diese Anreize können zum Beispiel
- Geldprämien,
- zusätzliche Urlaubstage,
- Vergünstigungen beim Bezug eigener Produkte,
- Sach-/Geldgutscheine oder
- Weitere Benefits sein.
Der Erfolg eines solchen Programms ist maßgeblich davon abhängig, wie sehr Sie Ihre Mitarbeiter*innen mit Benefits motivieren und Vorgaben klar kommunizieren können.
Vermitteln Sie das Programm anschließend zum Beispiel per Newsletter oder auf Betriebsversammlungen an Ihre Mitarbeiter*innen. Wichtig ist, Ihre Mitarbeiter*innen darin zu schulen, wie sie qualifizierte Kandidat*innen identifizieren und vermitteln können. Sie sollten daher auch ein klares Verständnis davon haben, auf welche Fähigkeiten und Eigenschaften (wie zum Beispiel Soft Skills) es bei den offenen Stellen ankommt. Ihre “professionellen” Recruiter sollten dabei als Ansprechpersonen dienen - zuletzt auch für die Empfehlungen, die Ihre Mitarbeiter*innen schließlich an das Unternehmen tragen.
Zuletzt sollte der Erfolg von Employee Recruitment Programme auch stets gemessen werden. Tracken und evaluieren Sie, wie gut das Programm wirklich funktioniert. So können Sie eventuell Bereiche mit Verbesserungsbedarf ausfindig machen und die Personalsuche via Vitamin B für die Zukunft optimieren.
Personalsuche mit Vitamin B: Deshalb profitiert Ihr Unternehmen
Geringe Fluktuation durch vertrauensvolle Empfehlungen
Die eigenen Mitarbeiter*innen für die Personalsuche zu begeistern, ist eine zwar unkonventionelle, aber, wenn sorgfältig geplant, sehr effektive Methode. Mitarbeiter*innen neigen dazu, Personen zu empfehlen, die sie kennen und denen sie vertrauen. Das bedeutet oft, dass auch die empfohlenen Kandidat*innen gut zur Unternehmenskultur passen. Das liegt daran, dass die Mitarbeiter*innen in der Regel Talente empfehlen, die ähnliche Werte und eine ähnliche Arbeitsmoral vertreten. Das kann schlussendlich auch die Verbleibsquote der neuen Mitarbeiter*innen fühlen - immerhin fühlen sie sich dank der bereits bekannten Vertrauensperson, die auch für Ihr Unternehmen bürgt, direkt wohler.
Ein weiterer positiver Faktor: Zeit ist Geld!
Wenn Sie dem Vitamin B Ihres Personals vollkommen vertrauen können, können Sie sich auch aufwändige und kostenintensive Bewerbungsverfahren ersparen. Recruitment-Kampagnen kosten heute mehr als frühe, weil auch die Vermarktung in sozialen Medien mitgedacht werden muss oder Assessment-Center organisiert und konzipiert werden müssen. Dafür braucht es Zeit und Personal.
Auch die finalen Bewerbungsgespräche können schneller und gezielter verlaufen:
Immerhin bringen die empfehlenden Angestellten bereits viel Hintergrundinformationen mit, anhand derer Ihre Personaler schnell feststellen können, ob die Empfehlungen auch wirklich für das Unternehmen geeignet sind.
Nicht zu vergessen: Ein Employee Recruitment Programm kann auch das Engagement und die Arbeitsmoral Ihrer “Veteranen” im Unternehmen verbessern.
Immerhin werden sie mit dafür verantwortlich gemacht, den Betrieb zu gestalten. Das kann dazu führen, dass sie sich umso wertgeschätzter fühlen und deshalb auch selbst gern länger im Unternehmen verbleiben.
Eine sinkende Fluktuationsrate bedeutet wiederum weniger Aufwand für kostenintensive Bewerbungsverfahren
Recruitment durch die Mitarbeiter*innen: das sind die Risiken
Was für Vitamin B als Nährstoff gilt, gilt auch für Ihr Unternehmen und alternative Bewerbungsverfahren: die Dosis macht das Gift. Wenn Sie sich nur darauf verlassen, Personal durch Personal zu akquirieren, kann das auch nach hinten losgehen. Wir haben die Risiken in Stichpunkten zusammengefasst:
- Begrenzter Pool: Wenn Sie sich rein auf die Empfehlungen von Mitarbeiter*innen verlassen, kann der Pool von Kandidat*innen im Umkehrschluss natürlich auch verborgene Talente ausschließen, auf die Sie online aufmerksam geworden wären.
- Mangelnde Vielfalt: die persönlichen Kontakte ihrer Mitarbeiter*innen stammen oftmals aus dem gleichen sozialen und kulturellen Umfeld. Wenn Sie auf Diversity im Unternehmen setzen, kann das ein negativer Faktor werden.
- Fördern der „unbeliebten Freunderlwirtschaft“: Wenn Mitarbeiter*innen den Eindruck bekommen, dass das Empfehlungsprogramm bestimmte Angestellte bevorzugt, können sich andere schnell benachteiligt und unzufrieden fühlen.
- Schlechtes Arbeitsklima: Wenn das Recruitment durch ein*e Mitarbeiter*in misslingt oder der oder die Kandidat*in nach der Einstellung enttäuscht, kann das zu Spannungen zwischen den Mitarbeiter*innen oder auch Ihnen gegenüber führen. Das Resultat ist ein negativer Einfluss auf das Arbeitsklima.
- Fehlende Objektivität: Nur geringfügig geschulte Angestellte gehen teilweise nicht so objektiv wie professionelle Personalvermittler*innen vor und übersehen möglicherweise bestimmte Schwächen bestimmter Kandidat*innen. Insbesondere, wenn sie eine persönliche Beziehung zu ihnen pflegen.
Unser Fazit für Sie:
Wir haben Ihnen gezeigt: den Recruitment-Prozess mitunter Ihrer Belegschaft anzuvertrauen, ist nichts, was von heute auf morgen funktioniert. Viele der Risiken können allerdings ausgemerzt werden, wenn Sie Ihren Mitarbeiter*innen klare Richtlinien vorgeben, effektive Schulungen durchführen und schlussendlich auch sinnvolle Belohnungen für das Engagement Ihrer Schützlinge aufstellen.
Wer sich aufgrund des Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt die Zähne ausbeißt, sollte diesen Aufwand jedenfalls in Betracht ziehen. Dabei gilt allerdings wie bei allen Aspekten der Unternehmensführung: bleiben Sie fair!
Wenn Sie den Recruitment-Prozess ausgeglichen und für alle nachvollziehbar gerecht gestalten, dann wird er auch funktionieren. Davon profitieren schlussendlich nicht nur Sie und Ihr Budget, sondern auch Ihre alten und neuen Mitarbeiter*innen.
Es sei darauf hingewiesen, dass viele dieser Nachteile durch eine sorgfältige Planung und Durchführung des Empfehlungsprogramms abgemildert werden können, z. B. durch die Festlegung klarer Richtlinien, das Angebot von Schulungen für empfehlende Mitarbeiter und die Verfolgung von Kennzahlen, um sicherzustellen, dass das Programm fair und effektiv ist.